Um unsere etwas polemische Überschrift sofort zu entkräften: Krankhafte Adipositas ist eine ernstzunehmende chronische Stoffwechselerkrankung, die durch entzündliche Prozesse im Körper begleitet wird – und keine Folge von persönlichem Versagen oder mangelndem Willen. Trotzdem sind Menschen, die davon betroffen sind, häufig Vorurteilen und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. Viele sehen in ihnen schlicht Personen, die „mehr essen als sie sollten“ oder „sich nicht genug bewegen“. Doch moderne Adipositasexpertinnen und -experten wissen: Diese Sichtweise greift viel zu kurz und wird der komplexen medizinischen Realität nicht gerecht. Willkommen zu unserem Blog „Adipositas – Selbst schuld?“
Lebensverändernde Wirkung der metabolisch-bariatrischen Chirurgie
Wird die krankhafte Adipositas im Rahmen medizinischer Leitlinien operativ behandelt, spricht man von sogenannten metabolisch-bariatrischen Eingriffen. Zu den etablierten Verfahren zählen unter anderem Schlauchmagen und Magenbypass. Diese Operationsmethoden sind kein Allheilmittel, aber in bestimmten Fällen der nächste logische Schritt – nach einer erfolglosen konservativen Therapiephase.
Bevor eine Operation infrage kommt, müssen die Betroffenen ein mindestens sechsmonatiges, strukturiertes Therapieprogramm durchlaufen. Es umfasst Ernährungstraining, Bewegungsförderung und eine psychologische Begutachtung. Erst wenn diese Maßnahmen keine nachhaltige Wirkung zeigen und alle anderen Ursachen ausgeschlossen sind, ist eine Operation laut medizinischer Fachgesellschaften indiziert. Erfolgt die Therapie nach den geltenden Leitlinien, übernehmen gesetzliche Krankenkassen in der Regel die Kosten.
Nachweisbare Vorteile: Gesteigerte Lebenserwartung und reduzierte Sterblichkeit
Namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Effektivität bariatrischer Eingriffe umfassend analysiert. Eine internationale Auswertung, die über tausend Studien zusammenfasste, kam zu dem klaren Ergebnis: Menschen mit krankhafter Adipositas leben nach einem solchen Eingriff im Durchschnitt rund sechs Jahre länger. Für Personen mit Diabetes Typ 2 verlängert sich die Lebenserwartung sogar um bis zu neun Jahre.
Noch beeindruckender ist der Rückgang der Sterblichkeitsrate – nahezu um die Hälfte. Die Studien verglichen konservative Behandlungsansätze mit operativen Verfahren und belegten eindeutig die Vorteile der Chirurgie bei entsprechender Indikationsstellung.
Wie Hormone den Krankheitsverlauf bei Diabetes positiv beeinflussen können
Ein häufiges Begleitsymptom der krankhaften Adipositas ist Diabetes mellitus Typ 2. Viele Patientinnen und Patienten berichten nach einem metabolisch-bariatrischen Eingriff von einer deutlichen Verbesserung oder sogar Rückbildung der diabetischen Beschwerden.
Verantwortlich dafür sind unter anderem sogenannte Inkretine – darmaktive Hormone, die die Insulinausschüttung an den Glukosebedarf anpassen. Insbesondere das Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) spielt hier eine zentrale Rolle. Es verbessert die Blutzuckerkontrolle, fördert ein früheres Sättigungsgefühl und wirkt entzündungshemmend. Durch den Eingriff, etwa einen Magenbypass, wird die Produktion dieses Hormons stark angeregt – ganz im Gegensatz zu einer herkömmlichen Diät.
Adipositaschirurgie ist kein „bequemer Ausweg“
Die Entscheidung für einen operativen Eingriff wird niemals leichtfertig getroffen. Es handelt sich um einen tiefgreifenden medizinischen Schritt, der nicht für alle Menschen mit Übergewicht geeignet ist. Vielmehr richtet sich die Indikation gezielt an Personen mit krankhafter Adipositas, deren Lebensqualität stark beeinträchtigt ist.
Minimalinvasive Techniken und lebenslange ärztliche Begleitung machen die Behandlung langfristig wirksam – vorausgesetzt, es erfolgt eine engmaschige Nachsorge durch medizinisches Fachpersonal, Ernährungstherapie und Bewegungstraining.
Respekt und Unterstützung statt Stigmatisierung
Krankhafte Adipositas ist keine Entscheidung – und niemand hat sich bewusst für diese Erkrankung entschieden. Was Betroffene stattdessen brauchen, ist Rückhalt: in ihrem sozialen Umfeld, von Ärztinnen und Ärzten sowie durch spezialisierte Therapiezentren.
Unsere interdisziplinären Teams schaffen mit fachlicher Kompetenz und Empathie eine Vertrauensbasis für eine langfristige Zusammenarbeit.
Vernetzte Versorgung bundesweit verfügbar
In Deutschland, Österreich und der Schweiz bieten zahlreiche Adipositaszentren ein engmaschiges Netzwerk spezialisierter Einrichtungen. Viele dieser Zentren sind nach den hohen Standards der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zertifiziert und garantieren eine qualitätsgesicherte Versorgung.
Wir haben viele weitere Artikel zum Thema Stigmatisierung, hier zum Beispiel
Folgt ihr schon unseren Social-Media-Kanälen? Nicht? Dann wird es aber Zeit! Hier geht es zu unseren Facebook– und Instagram-Seiten!
Bilder: Canva.com