Neuer Ansatz zur Diagnose und Behandlung von Adipositas

Die klassische Definition von Adipositas basierte bisher vor allem auf dem Body-Mass-Index (BMI). Nun stellt eine internationale Kommission von über 50 Expert:innen neue Diagnoserichtlinien vor, die Adipositas differenzierter und ganzheitlicher bewerten sollen. Ziel ist es, den BMI als alleiniges Maß zu ersetzen und den Fokus auf körperliche Symptome und Gesundheitsrisiken zu erweitern. Willkommen zu unserem Blog „Neuer Ansatz zur Diagnose und Behandlung von Adipositas“.

Warum ist der BMI allein nicht ausreichend?

Der BMI, berechnet aus Körpergewicht und Körpergröße, bietet einen ersten Hinweis auf Übergewicht, kann jedoch nicht zwischen Muskel- und Fettmasse unterscheiden. So können auch durchtrainierte Menschen als „übergewichtig“ eingestuft werden, während andere mit gesundheitsschädlichem Fettanteil möglicherweise als normalgewichtig gelten.

Die neuen Empfehlungen setzen daher auf zusätzliche Messungen wie Taillenumfang, Verhältnis Taille-Hüfte oder Körperfettanteil. Mindestens zwei dieser Werte sollen zukünftig zur Diagnose herangezogen werden. Diese Veränderungen ermöglichen es, Übergewicht präziser zu bewerten und individuell angepasste Therapien zu entwickeln. Wir haben darüber bereits in unserem Blog Der Body-Roundness-Index – Eine bessere Alternative zum BMI? geschrieben.

Präklinische und klinische Adipositas: Neue Definitionen

Die Kommission unterscheidet zwischen zwei Hauptkategorien:

  1. Präklinische Adipositas: Hierbei liegt überschüssiges Körperfett vor, jedoch ohne direkte gesundheitliche Probleme. Vorbeugende Maßnahmen wie Ernährungsumstellungen oder Bewegung reichen in der Regel aus, um das Risiko für zukünftige Krankheiten zu senken.
  2. Klinische Adipositas: Diese Form ist durch körperliche Beschwerden wie Stoffwechselstörungen, Gelenkprobleme oder eingeschränkte Organfunktionen gekennzeichnet. Sie wird als chronische Erkrankung eingestuft, die eine intensive Behandlung erfordert.

Diese Unterteilung soll eine gezieltere Ressourcenverteilung ermöglichen, beispielsweise durch klarere Prioritäten bei der Vergabe von Therapieplätzen.

Herausforderungen und Kritik aus der Fachwelt

Obwohl die neuen Richtlinien auf breite Zustimmung stoßen, gibt es auch Kritik. Einige Expert:innen, darunter Professor Hans Hauner von der TU München, bemängeln die mangelnde Präzision der neuen Ansätze. Unterschiedliche Messmethoden könnten zu inkonsistenten Ergebnissen führen. Zudem bestehe die Gefahr, dass durch die Lockerung der Definition weniger Menschen Zugang zu wichtigen Behandlungsmaßnahmen erhalten.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Anwendung der neuen Standards bei Kindern und Jugendlichen. Übergewicht in jungen Jahren erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und andere schwerwiegende Krankheiten. Professor Martin Wabitsch vom Universitätsklinikum Ulm sieht in der Neudefinition jedoch eine Chance, Kinder mit klinischer Adipositas besser zu therapieren.

Prävention und Therapie: Der Lebensstil als Schlüssel

Neben medizinischen Interventionen ist die Lebensstiländerung zentral. Bereits eine moderate Gewichtsreduktion kann das Risiko für Folgeerkrankungen wie Diabetes um bis zu 70 % senken. Krafttraining und Ausdauersport sind besonders effektiv, um das Gewicht langfristig zu halten.

Fazit: Ein Schritt in Richtung ganzheitlicher Behandlung

Die neuen Richtlinien heben die Bedeutung individueller Gesundheitsbewertungen hervor und lenken die Aufmerksamkeit auf die Vielschichtigkeit von Adipositas. Die Diskussion zeigt jedoch, dass weitere Forschung und praktische Anpassungen nötig sind, um die Umsetzung weltweit zu etablieren.

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Bilder: Canva.com