Adipöse Menschen sind im Alltag oft mit negativen Stereotypen konfrontiert. Sie gelten als faul, disziplinlos und selbst schuld an ihrer Situation. Diese Annahmen sind nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Die Medien, insbesondere das Fernsehen, vermitteln ein fragwürdiges Idealbild von schlanken und durchtrainierten Körpern als Voraussetzung für Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung. Wer diesem Bild nicht entspricht, wird schnell ausgegrenzt oder benachteiligt. Willkommen zu unserem Blog „Gewichtsstigmatisierung: Wege aus dem Teufelskreis“.
Diese Stigmatisierung beginnt oft schon im Kindesalter und begleitet Betroffene durch alle Lebensbereiche: Schule, Beruf, soziale Kontakte und sogar Familie. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass viele adipöse Menschen die ihnen zugeschriebenen negativen Urteile verinnerlichen. Sie nehmen sich selbst als defizitär wahr, ziehen sich zurück und verlieren an Selbstvertrauen. Dies führt zu einem Teufelskreis, in dem psychische Belastung, sozialer Rückzug und gesundheitliche Verschlechterung einander verstärken.
Erfahrungsbericht: Der Kampf gegen Selbststigmatisierung
Ein eindrückliches Beispiel liefert eine Betroffene: „Überall wurde mein Gewicht thematisiert. Ob im Freundeskreis oder innerhalb der Familie – meine Kilos waren immer Gesprächsthema. Ich wurde nur dann anerkannt, wenn ich abgenommen hatte. Diese ständige Bewertung hat mich psychisch sehr belastet. Erst durch eine Selbsthilfegruppe habe ich gelernt, mein Selbstwertgefühl wieder aufzubauen und eine professionelle Therapie zu beginnen.“ Diese Erfahrung zeigt, dass Selbsthilfegruppen und psychologische Unterstützung entscheidend sein können, um den Kreislauf aus Selbstabwertung und gesellschaftlicher Stigmatisierung zu durchbrechen.
Subtile Formen der Diskriminierung
Nicht immer äußert sich Gewichtsstigmatisierung in offenen Anfeindungen. Viele adipöse Menschen erfahren eine subtile Form der Ausgrenzung. Schmale Sitze in öffentlichen Verkehrsmitteln, enge sanitäre Einrichtungen oder eingeschränkte Auswahl an Kleidung in regulären Geschäften sind nur einige Beispiele. Diese Hindernisse führen dazu, dass Betroffene sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückziehen und alltägliche Aktivitäten vermeiden.
Mediale Darstellung und gesellschaftliche Wahrnehmung
Die mediale Berichterstattung spielt eine zentrale Rolle bei der Verfestigung von Vorurteilen. Fernsehformate, die das Abnehmen als reine Frage der Disziplin darstellen, verstärken die gesellschaftliche Annahme, dass Gewichtsprobleme allein durch Willenskraft gelöst werden können. Doch langfristige Studien belegen, dass viele Menschen nach Diäten das verlorene Gewicht wieder zunehmen, teilweise sogar mehr als zuvor. Der sogenannte Jo-Jo-Effekt ist gut erforscht und zeigt, dass dauerhafte Gewichtsreduktion weitaus komplexer ist, als es oft dargestellt wird.
Studien zur Gewichtsdiskriminierung
Forschungen belegen, dass adipöse Menschen häufig selbst die negativen Vorurteile über ihr Gewicht übernehmen. Eine großangelegte Umfrage ergab, dass viele sich als undiszipliniert und selbst schuld an ihrer Lage betrachten. Eine weitere Untersuchung mit mehreren tausend Teilnehmenden in Deutschland zeigte, dass Diskriminierungserfahrungen stark mit dem Gewicht korrelieren: Während leicht Übergewichtige seltener Benachteiligung erfahren, berichten fast 40 Prozent der Menschen mit schwerer Adipositas von gewichtsbasierten Diskriminierungen. Besonders Frauen sind betroffen: Während nur 7,6 Prozent der Männer mit Adipositas von Benachteiligung sprechen, liegt dieser Anteil bei Frauen mit über 20 Prozent.
Psychische Belastung und gesundheitliche Folgen
Stigmatisierung hat weitreichende psychologische Konsequenzen. Menschen, die sich durch gesellschaftliche Vorurteile ausgegrenzt fühlen, neigen vermehrt zu Depressionen, Angststörungen und Essstörungen. Besonders im Kindes- und Jugendalter zeigen Studien, dass gewichtsbezogene Diskriminierung langfristig zu vermindertem Selbstwertgefühl, erhöhter Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und sogar Suizidgedanken führen kann. Adipositasexpertinnen und -experten warnen davor, diese Faktoren zu unterschätzen, da sie den Erfolg von Therapien negativ beeinflussen können.
Ansätze zur Reduktion von Selbststigmatisierung
Um das Selbststigma adipöser Menschen zu reduzieren, sind gezielte Interventionen erforderlich. Forschende betonen, dass allein der Appell an Eigenverantwortung nicht genügt. Vielmehr sind gesellschaftliche Veränderungen notwendig, um Akzeptanz und Respekt für Menschen mit Adipositas zu fördern. Maßnahmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Programme zur Förderung des Selbstwertgefühls bei Betroffenen sind entscheidend, um den Teufelskreis aus Stigmatisierung, Selbstzweifel und gesundheitlichen Folgen zu durchbrechen.
Ein neuer Umgang mit Adipositas
Da die Zahl der adipösen Menschen weltweit weiter steigt, während wirksame Behandlungsmöglichkeiten begrenzt bleiben, ist es dringend erforderlich, neue Wege im Umgang mit dieser chronischen Erkrankung zu finden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass eine Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung dringend notwendig ist. Statt Mitleid oder Verurteilung sollte der Fokus auf Respekt und Gleichberechtigung liegen. Nur so kann eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität adipöser Menschen erreicht werden.
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Bilder: Canva.com