Interview mit Professor Dr. med. habil. Matthias Weck

Dr. Matthias Weck

Lieber Herr Professor Dr. Weck, warum ist das Thema Übergewicht so wichtig in unserer Gesellschaft geworden?
Beim Thema Übergewicht und Adipositas oder krankhafter Fettsucht ist es wie beim Fußball, jeder kann mitreden, jeder glaubt aus eigener Erfahrung Gedanken beisteuern zu können oder sich eine Meinung gebildet zu haben. Die Betroffenen bekommen allerlei gute Ratschläge, erhalten Tipps von „Experten“, deren Qualifikation oftmals nicht klar nachweisbar ist. Was also ist richtig?

Was sind die Ursachen von Adipositas?
Gewichtszunahme ohne Kalorienüberschuss ist nicht möglich! Jede Gewichtszunahme ist also mit einer übermäßigen Kalorienzufuhr verbunden. Nur etwa 2–3 % unserer Bevölkerung sind sogenannte „gute Futterverwerter“, die sozusagen einen gebremsten Energieumsatz aufweisen. Bei einem Teil verstecken sich dahinter Schilddrüsenunterfunktionen, die ja dann einfach zu behandeln wären. Ganz einfache Beispiele untermauern dies. Z.B. sind die Portionsgrößen im Fast Food-Restaurant in den letzten Jahren angestiegen. Früher reichte der einfache Hamburger, heute ist es der SuperMac und TripleBurger. Wir glauben, täglich Fleisch zu brauchen. Uns allen ist außerdem klar, dass eine der Hauptursachen der so genannten Adipositasepidemie die mangelnde Bewegung ist. Dies beginnt bereits im Kindergarten- und Schulalter.

Hat Übergewicht bzw. Adipositas eine gesundheitliche Relevanz?
Adipositas, d. h. der BMI-Bereich 30 – 40 kg/m², ist eine Krankheit! Auch ein adipöser Mensch kann sich wohl fühlen, allerdings nur solange bis sich die Folgeerkrankungen eingestellt haben. Die Folgeerkrankungen sind Erkrankungen des Stoffwechselsyndroms, das in den 70er Jahren erstmals in Dresden beschrieben wurde:  Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen. Diese Begleit- und Folgeerkrankungen führen zu den wichtigsten Volkskrankheiten der Gegenwart, nämlich Herzinfarkt und Schlaganfall. Der Diabetes mellitus hat epidemische Ausmaße erreicht. Bis zum Jahr 2035 rechnen Experten  mit einer Zunahme der Typ 2-Diabetiker von +1,5 Millionen! Eine nicht unwesentliche Ursache dieser gewaltigen Zunahme liegt in falscher Ernährung mit zu viel Kalorien, zu viel Zucker, zu hohem Fettanteil und natürlich mangelnder Bewegung. Unsere Erfahrungen zeigen, dass z.B. in vielen Fällen bei einer Gewichtsabnahme der Diabetes Typ 2 verschwindet bzw. sich verbessert.

Wie können Sie den Patienten beim Abnehmen helfen?
Das Wichtigste ist, dass die Patienten Freude an der Bewegung entwickeln und weiter Spaß am Essen haben. Mit Verboten etwas zu ändern, das funktioniert nicht. Wenn die Patienten zu uns kommen, werden sie zunächst untersucht, ob eine hormonelle Störung vorliegt, welche die Gewichtszunahme verursachen kann. Ist das auszuschließen, beginnen wir mit der konservativen Behandlung. Wir bieten dazu in Zusammenarbeit mit Krankenkassen Gruppenschulungen an. Die Kurse dauern etwa zehn Wochen, in denen die Patienten lernen, ihre Ernährung umzustellen, und motiviert werden, sich zu bewegen.

Was machen Sie mit Patienten, die sich aufgrund ihres Gewichtes kaum noch bewegen können?
Bei extremem Übergewicht ist oft nur eine Operation die einzige Chance, bei guter Lebensqualität möglichst lange zu leben. Bei der OP wird zum Beispiel der Magen verkleinert. Damit verbunden ist eine lebenslange Umstellung der Lebensgewohnheiten.

Das Helios Adipositaszentrum Sachsen ist ein zertifiziertes Referenzzentrum für Adipositas und metabolische Chirurgie. Wie profitieren Patienten davon?
Um die Zertifizierung als Kompetenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie zu bekommen, muss die Klinik u.a. nachweisen, dass sie optimal ausgestattet ist. Dabei geht es nicht nur um ausreichend und gut ausgebildetes Personal, sondern z.B. auch darum, dass OP-Tische, Betten und Zimmer für schwergewichtige Patienten geeignet sind. Ein weiteres Kriterium sei auch eine vorgeschriebene Mindest-Anzahl an Operationen. Lobend erwähnten die Prüfer die lebenslange Nachsorge. Sie sei in solchen Zentren nicht immer eine Selbstverständlichkeit.