Interview mit Prof. Dr. med. Stephan C. Bischoff

Warum haben Sie das Zentrum für Klinische Ernährung Stuttgart (ZKES) 2006 gegründet?

Damals, vor gut 17 Jahren gab es in Deutschland sehr wenige Behandlungsstätten für stark übergewichtige Personen. Zahlreichen, meist nicht standardisierten Therapieansätzen fehlte die wissenschaftliche Grundlage. Um dies zu ändern, habe ich damals das Zentrum für Klinische Ernährung in Stuttgart (ZKES) gegründet. Durch den direkten Zugang zu Betroffenen gelang es, das Gewichtsreduktionsprogramm OPTIFAST® 52 zu evaluieren. Zu dem Angebot des ZKES gehören auch eine Forschungseinheit der Universität Hohenheim, Auftragsstudien, Ernährungsberatung und eine ernährungsmedizinische Ambulanz mit den Schwerpunkten Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten.

Was ist das für ein Programm und welche Erfolge konnten Sie bislang damit erzielen?

Das OPTIFAST® 52-Programm ist ein medizinisch geführtes, ambulantes Gruppenprogramm für adipöse Menschen, das nicht nur aus einer Diät besteht, sondern den Patienten eine ernährungswissenschaftliche Betreuung, eine Anleitung zur Bewegung und psychologische Hilfestellungen anbietet. Die Patienten lernen innerhalb eines Jahres viel über geeignete Lebensmittel. Sie finden heraus, wann sie Schwierigkeiten haben, sich gesund zu ernähren, und erlernen Strategien, diese Situationen zu meistern. Der Erfolg eines Programmes ist schwer zu messen. Er ist dann gegeben, wenn der Patient einen spürbaren Nutzen hat und sich metabolische Begleiterkrankungen vermindern oder sogar verschwinden. Eine Gewichtsabnahme von zehn Prozent ist daher in etwa die Untergrenze, die so ein Diätprogramm erreichen muss. Die Absolventen des OPTIFAST® 52 haben meist noch bessere Ergebnisse. Aber die Gewichtsabnahme allein ist nicht der einzige Faktor für den Erfolg einer Maßnahme. Das Gewicht muss auch dauerhaft niedrig gehalten werden. Die Nachhaltigkeit ist entscheidend. Mit dem OPTIFAST®52-Programm bekommt man beide Ziele kombiniert angeboten, wobei die Stabilisierungsphase noch länger sein dürfte. Adipositas ist eine lebenslange, chronische Erkrankung, die immer wieder Betreuung erfordert. Obwohl OPTIFAST® 52 eines der längsten Diätprogramme ist, benötigen die Patienten in der Regel eine weiterführende Betreuung. Hierfür bieten wir ein Nachsorgeprogramm an.

Sie haben die Effekte und auch die Nachhaltigkeit des Programmes evaluiert.
Was waren die Ergebnisse und was wäre ihr nächstes Ziel in der Adipositastherapie?

Die wissenschaftliche Auswertung  des OPTIFAST® 52-Programmes hat ergeben, dass die Patienten sehr gut abnehmen: Der durchschnittliche Gewichtsverlust bei Frauen liegt bei 20 kg, bei Männern sogar bei 26 kg. Die Prävalenz des metabolischen Syndroms nimmt nach der 52wöchigen Therapiedauer um 50 Prozent ab. Auch die Häufigkeit erhöhten Blutdrucks sinkt signifikant. In einer kleinen Follow-Up-Untersuchung konnten wir feststellen, dass die Patienten bis drei Jahre nach der Therapie eine deutlich verbesserte Lebensqualität hatten. Viele konnten ihre Gewichtsreduktion halten oder nahmen nur geringfügig zu. Mein Ziel für die Zukunft ist es dennoch, noch mehr zu erreichen und eine phasengerechte Therapie umzusetzen. Diese besteht aus drei Säulen, von der eine die Prävention ist. Die stabile Mitte bildet das OPTIFAST® 52-Programm, mit dem Patienten sicher und effektiv abnehmen können. In Zukunft arbeite ich aber auch daran, den Stabilisierungszeitraum zu verlängern. Ich möchte den Patienten letztlich als dritte Säule eine Betreuung anbieten, die den dauerhaften Erfolg noch besser sichert.

Was unterscheidet das ZKES von anderen Zentren?

In Bezug auf das OPTIFAST® 52-Programm erst einmal nicht so viel. Das Programm ist standardisiert. Ein Team aus Ärzten, Ernährungswissenschaftlern, Psychologen und Sportwissenschaftlern betreut die Patienten nach der einwöchigen Einführung bei der 12wöchigen Formula-Diät zur Gewichtsreduktion, der achtwöchigen Umstellungsphase und der 31wöchigen Stabilisierungsphase. Das Besondere ist sogar, dass alle Zentren ihre Daten zusammenlegen können. Nur so konnte die Evaluierungsstudie, die ich federführend publiziert habe und an der viele Zentren beteiligt waren, entstehen. Bei uns am ZKES geht es aber auch darum, Studien voranzutreiben. Wir wollen Detailwissen generieren. Wie beeinflusst das Programm beispielsweise Begleiterkrankungen wie die Insulinresistenz oder die Leberverfettung? Wir können bei uns zusätzliche Untersuchungen durchführen und eine wissenschaftliche Begleitung anbieten.