Wir alle kennen die Versprechen der Crash-Diäten, die uns aus der TV-Werbung, den Plakatwänden, dem Radio oder dem Internet entgegenschallen: 4 Kilo weniger in einer Woche, Nie wieder dick, Spielend leicht abnehmen…
Natürlich klingt das immer verlockend und verheißungsvoll, und nach wie vor funktioniert die Marketingstrategie. Diätpulver, Diätriegel, Suppenrezepte, Eiweiß-Diät … werden konsumiert, nachgekocht, umgesetzt.Würde uns jemand versprechen, dass wir in einer Woche zwei Zentimeter wachsen, würde das niemand glauben, dabei grenzt diese Aussage auch nicht viel weniger an ein Wunder, als die vorigen. Ich gebe zu: Mir geht es nicht anders. Auch wenn ich theoretisch natürlich längst weiß, dass eine solche Crash-Diät entweder erst gar nicht funktioniert oder aber die runtergehungerten Kilos umso schneller hinterher wieder auf meinen Hüften sitzen, so lasse ich mich doch immer wieder davon mitreißen. Weniger, indem ich das angepriesene Produkt kaufe oder mich vier Wochen lang auf das Essen einer wässrigen Suppe beschränke, diese Phase habe ich glücklicherweise bereits hinter mir. Vielmehr klingeln bei mir dann entweder leise Alarmglocken („O Mann ja, ich hab auch schon wieder zwei Kilo mehr, ich muss jetzt dringend …“) oder aber glasklare Motivationsglocken („Ja, das ist mein Startzeichen, diesmal schaffe ich es!“). Es ist wohl unnötig, zu erwähnen, dass beides bisher nicht funktioniert hat, sonst würde es in meinem Kopf ja längst nicht mehr klingeln.
Willkommen in der Realität
Warum fallen so viele immer wieder auf derartige Versprechen rein? Wissen wir es nicht besser? Es ist leider einfach schön, zu träumen. Sich vorzustellen, dass es so einfach wäre, das Übergewicht, das sich in vielen Jahren Kilo für Kilo aufgebaut hat, im Handumdrehen einfach so verschwinden zu lassen. Und es ist ja nicht einmal so, dass es grundsätzlich gar nicht funktioniert. Ich kann mich durchaus an manchen erfolgreichen Versuch erinnern. Mal waren es zumindest drei Kilo in einer Woche, mal zehn in einem Monat. Eigentlich kein Wunder, wenn man sich durchgehend nur von Gemüsewasser ernährt oder nichts anderes als Steaks und trockenes Brot zu sich nimmt. Doch wenn ich in den Spiegel schaue – oder noch schlimmer, auf die Waage steige – sehe ich klar, dass all diese gepurzelten Kilos längst wieder da sind, und im Zweifel noch einige mehr.
Klingt lustig, ist es aber nicht – der Jojo-Effekt
Dieses Wort ist längst weder Fremd- noch Modewort, es ist in unseren Sprachschatz übergegangen. Warum? Weil es die Realität ist. Weil das keine Trenddiät, kein Marketingspruch, kein Witz ist, sondern pure Wahrheit, die hier sprachlich vermeintlich nett verpackt ist. Klingt ja auch besser als „wer zu schnell abnimmt, nimmt umso mehr wieder zu“. Aber genau das steckt hinter diesem hübschen Wortspiel. Und es ist sogar medizinisch erklärbar. Komplexe Stoffwechselprozesse in unserem Körper sorgen dafür, dass wir nach einem deutlichen und vor allem schnellen Gewichtsverlust sehr schnell wieder zunehmen. Der Körper hat sich umgestellt und will nun retten, was kommt, aus Angst, dass ihm die Nahrung wieder vorenthalten wird. Bliebe es wörtlich, so würden wir zumindest „nur“ das zunehmen, was wir zuvor abgenommen haben. Tatsächlich sorgt diese Körperreaktion aber dafür, dass das Jojo beim Wiederaufrollen viel schwerer wird, als zuvor.
Das ist noch längst nicht alles
Das allein ist eigentlich schlimm genug, doch es kommt – im wahrsten Sinne des Wortes – noch dicker. Derartige Crash-Diäten sind in der Regel immer sehr einseitig. Nur Eiweiß, nur Gemüse, nur Pulver. Wir enthalten unserem Körper also schlagartig vieles vor, was er sonst regelmäßig bekommen hat, nämlich Vitamine oder Kohlenhydrate oder Fett. Und das in der Regel sehr konsequent. Unser Körper ist aber so programmiert, dass gerade eine (gesunde!) Mischung aus allem das ist, was ihm gut tut. Die mangelnde Versorgung mit einzelnen oder mehreren wichtigen Teilen dieser Mischung durch eine derart einseitige Ernährung schadet unserem Körper, schlimmstenfalls sogar nachhaltig. Haarausfall, ständige Müdigkeit und ähnliche Auswirkungen gehören noch zu den harmlosen.
Dann ist da noch die Seele
Es heißt oft, wir Dicken haben uns einen Schutzpanzer angelegt. Wie gerade gelernt, schützt dieser vorhandene Panzer aber nicht vor dem, was wir unserem Körper selbst antun. Und auch dass unsere Psyche dadurch abgesichert wird, ist ein Trugschluss. Ganz im Gegenteil: So bravourös das Hochgefühl ist, wenn wir in kürzester Zeit die Zahlen auf der Waage purzeln sehen, umso tiefer ist der Fall, wenn der Zeiger danach direkt wieder nach oben schnellt. Und mit jedem Jojo-Effekt wird auch diese Nachwirkung immer schlimmer. Die Reaktion darauf kann unterschiedlich sein. Mich persönlich stürzt es für einige Zeit in eine Krise, in der ich komplett kapitulieren möchte.
Ich sehe mich dann nur noch als Loser. Ich persönlich habe das Glück, mein Selbstwertgefühl anderweitig wieder stärken zu können, entweder im Beruf oder in der Familie. Diese Möglichkeit hat aber nicht jeder. Ich kenne Betroffene, die sich nach derartigen Erfahrungen komplett aufgegeben haben und die Realität zu verdrängen versuchen, indem sie einfach nicht mehr auf die Waage steigen. In noch schlimmeren Fällen verlassen die Betroffenen ihre Wohnung nicht mehr, aus Angst, sich zu zeigen. Wird dies wirklich konsequent gelebt, kann es schlimmstenfalls in sozialer Vereinsamung enden.
Das Problem mit der Selbstwahrnehmung
Wenn ich mich als Verlierer sehe, ist das eine Momentaufnahme, in der meine Selbstwahrnehmung geschwächt ist.Ich weiß, dass es Dinge gibt, die ich kann, und schaffe es in der Regel, mich daran wieder hochzuziehen. Dennoch ist es gerade diese oft getrübte Selbstwahrnehmung, die dicken Menschen zum Verhängnis werden kann. Das sind in der Regel die Menschen, die die Waage ignorieren, denn diese Zahlen lügen nun einmal leider nicht. Das Spiegelbild hingegen schon. Erwiesenermaßen sehen wir uns darin anders, als andere uns sehen. Das betrifft nicht nur dicke Menschen. Auch von Magersucht Betroffene, also dem genauen Gegenteil des hier besprochenen Problems, sehen ihr Abbild im Spiegel nicht realistisch.
Ich habe Dokumentationen gesehen, die sehr deutlich waren. Vollkommen ausgemergelte junge Frauen, die stark untergewichtig waren, sollten ihre Figur nachzeichnen. Heraus kamen Umfänge, die zwar nicht adipös, aber durchaus kräftig waren, und damit weit ab von der Realität. Bei uns Dicken ist es genauso. Wir ziehen uns schöne Kleider an, stellen uns vor den Spiegel und sagen: „So schlimm ist es ja gar nicht.“ Zieht man das über längere Zeit durch, wird es zur eigenen Realität. Da helfen auch die Größen in den Kleidungsstücken nicht, denn die kann man genauso ignorieren, wie die Waage. Die verschiedenen Arten, mit dem immer mehr ansteigenden Gewicht umzugehen, die ich gerade beschrieben habe, führen also alle nicht zur Lösung. Sie machen das Problem im Gegenteil nur noch größer. Die Crash-Diät ist dafür nicht der Ursprung, denn wer noch nicht zumindest etwas fülliger ist, wird im Normalfall keine solche Zäsur vornehmen. Aber diese Diäten helfen eben auch nicht, sie verstärken das Problem nachhaltig. Darum kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen: Hände weg! Der kurzfristige Erfolg, wenn wir ihn denn überhaupt erleben, hat in den allermeisten Fällen keinen Bestand, sondern macht unsere Situation nur noch schlimmer.
Der bessere Weg
Die einzige Möglichkeit, sein Gewicht langfristig und eigenständig wieder in den normalen Bereich zu bringen, ist eine konsequente Ernährungsumstellung. Kling hart, ich weiß. Hört sich auch alles andere als genussvoll an, wenn wir nie mehr unsere geliebten Schokoriegel, Leberwurstbrote, Knödel oder Pizzen essen sollen. Diese Umstellung ist keine Crash-Umstellung. Es muss nämlich nicht heißen „nie mehr Pizza“, sondern vornehmlich „nur noch selten Pizza“. Ich darf das sagen, denn ich habe diesen Schritt irgendwann gemacht, weil mir ein Mensch, der es gut mit mir meinte, ins Gewissen geredet hatte. Und ja, ich habe es nicht bereut. Natürlich gibt es Dinge, die ich vermisse, wie eben sahnige Nudelgerichte, Pizza mit Käserand oder die ganze Tüte Chips vor der Glotze. Aber ab und zu – ganz selten – gebe ich diesem Drang nach, wenn er zu groß wird. In der Regel genieße ich einen langen Moment, spätestens am nächsten Morgen weiß ich wieder, warum ich das nicht mehr tun sollte. Und inzwischen komme ich damit gut klar.
Scheuen Sie sich nicht, Unterstützung zu suchen
Auch wenn ich damals für mich selbst den Entschluss gefasst habe, dass ich grundsätzlich etwas an meiner Ernährung ändern muss – diese Erkenntnis allein hätte mir nicht geholfen. Und ich hätte es nicht ohne Unterstützung geschafft, diesen Plan auch umzusetzen. Bei mir war es ein guter Hausarzt, der mir geholfen hat. Bei anderen ist es die professionelle Ernährungsberatung. Wieder andere brauchen eine Gruppe. Es ist egal, welchen Weg Sie gehen, Hauptsache, Sie gehen ihn. Bitten Sie einen Profi darum, Sie bei Ihrem Vorhaben zu unterstützen. Nur dann können Sie den gewünschten Erfolg erleben. Es dauert natürlich länger als mit einer Crash-Diät, aber viel wichtiger ist: Auch das Ergebnis hält viel länger an.