Heute möchte ich ein paar Worte zu der TV-Show „The Biggest Loser“ loswerden, die mir wirklich auf der Seele brennen. Ich bin generell alles andere als ein Freund solcher Fernseh-Formate, das gilt auch für Model-Contests, Shopping-Wettbewerbe mit Promis oder Normalos, Frauentausch-Aktionen oder ähnliches.
Die Liste ist da ja inzwischen erschreckend lang.
Am liebsten würde ich solchen Sendungen komplett ignorieren, aber daran bin ich oft gescheitert, denn auch wenn man den Fernseher dazu nicht einschaltet, liest man in der Presse darüber, muss es bei Freunden mitgucken oder sich zumindest deren begeisterte Schilderungen anhören.
Man kommt einfach nicht vollkommen daran vorbei. Im Fall der Abnehm-Show habe ich dann irgendwann tatsächlich einmal ganz bewusst den Bildschirm eingeschaltet, weil ich mir ein eigenes Bild davon machen wollte. Aber für alle, die hier noch ganz unbedarft ans Thema gehen, vielleicht ein paar Grundinfos.
Das Konzept der Fernseh-Show
Wie so oft handelt es sich auch bei „The Biggest Loser“ um ein Konzept aus den USA, das von einem deutschen Sender adaptiert wurde. Die erste deutsche Staffel wurde 2009 ausgestrahlt, ich glaube inzwischen gab es neun Staffeln, ganz sicher bin ich da aber nicht. Eine Reihe stark übergewichtiger Kandidaten tritt – inzwischen paarweise – an, um im extra dafür eingerichteten Camp gemeinsam abzunehmen.
Das ganze läuft im Camp über zehn Wochen, wobei in jeder Woche Kandidaten ausscheiden. Wer am Ende noch im Camp ist und außerdem prozentual zu seinem Körpergewicht beim Start am meisten abgenommen hat, gewinnt die Show und zusätzlichen einen fünfstelligen Betrag.
Die Sendung wurde über die Jahre von verschiedenen Damen aus der Sportwelt moderiert, inzwischen ist es Dr. Christine Theiss, Profi-Weltmeisterin im Vollkontakt-Kickboxen. So weit, so gut.
Sport, Ernährung, Psychospielchen
Ganz so nüchtern bleibt es natürlich nicht, wer sollte sich das ansonsten auch angucken.
Der eigentliche Sinn scheint mir ist es, die Kandidaten zur Schau zu stellen. Jeder sieht, dass hier wirklich stark übergewichtige Menschen teilnehmen.
Aber das reicht nicht, sie müssen zum wöchentlichen Wiege-Ritual halbnackt vors Publikum treten, schön körperbetont und ohne irgendetwas kaschieren zu können.
Der Zuschauer möchte ja schließlich etwas zum Gucken haben. Es gibt klare Regeln im Camp, zu Trinken gibt es ausschließlich Wasser, gekocht wird selbst und natürlich gesund. Alles bestens, das ist der Weg zur Gewichtsabnahme.
Daneben spielt das sportliche Programm eine ganz (ge)wichtige Rolle.
Neben dem persönlichen Training gibt es auch da Wettkämpfe unter den Teams, die ich ähnlich unangenehm finde wie das öffentliche Wiegen.
Ich möchte da gar nicht ins Detail gehen, es steht ja jedem frei, sich diese fragwürdigen Aktionen selbst anzusehen. In der Regel kommt es dabei zu Verletzungen – kein Wunder, schließlich sind diese Kandidaten keine trainierten Sportler, sonst würden sie kaum so aussehen.
Aber natürlich schaut der gemeine Trash-Fan sich viel lieber an, wie ein dicker Mensch durch den Schlamm robbt oder Autoreifen durch die Gegend wirft, als wenn das ein Profisportler erledigt. Unweigerlich greifen derlei Aktionen nach kürzester Zeit die Psyche der Teilnehmer an.
Neben gegenseitigen Zickereien (beim Zuschauer immer sehr beliebt!) darf man miterleben, wie Kandidaten an sich oder den strikten Regeln zusammenbrechen, unendlich frustiert sind, gegen die Camp-Leiter hetzen oder im Selbstmitleid baden.
Das große TV-Finale
Auch ein Staffelende habe ich mir natürlich dann mal angesehen, und ohne Frage – ich war zum Teil beeindruckt angesichts der feierlichen Vorher-Nachher-Show.
Ja, in der Regel nehmen alle Kandidaten, die bis zum Schluss durchhalten, richtig viel ab. Und ja – natürlich sind sie dann bestens und neu eingekleidet, die Herren im Anzug oder enger Jeans, die Frauen im kurzen Kleid – nichts erinnert mehr an die schlumpfig und nachlässig wirkenden Schwergewichte auf der Fernsehwaage.
Sieben Monate sind vom Start bis zum Finale vergangen, davon zehn gemeinsame Camp-Wochen, bevor sich jeder allein disziplinieren musste, um im Finale auf der Waage das beste Ergebnis vorzuweisen. 50.000 Euro sind natürlich dafür ein nicht unerheblicher Anreiz.
Das wissenschaftliche Fazit
In den USA haben sich Wissenschaftler die Mühe gemacht, eine Reihe ehemaliger Kanditaten einige Jahre nach der Sendung zu be- und untersuchen. Ganz ohne Kameras und irgendwelche Wettkampfszenen.
Bis auf eine einzige Kandidatin hatten alle rund zwei Drittel des verlorenen Gewichts wieder zugenommen. Im Regelfall waren die Kandidaten nach der Sendung ohne das Ziel des Gewinns, ohne Trainer und ohne Unterstützung wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Ganz eindeutig ist das TV-Format also keine Garantie und auch kein Geheimrezept.
Mein ganz persönliches Fazit zur Sendung
Habe ich mich über das Ergebnis gewundert? Nein. Auch die Kandidaten sind ganz normale Menschen mit Stärken und Schwächen. Sie wurden wochenlang sehr intensiv begleitet und betreut, was im „normalen Leben“ in diesem Ausmaß gar nicht möglich ist. Und sie hatten aufgrund des monetären Gewinns fraglos einen anderen und höheren Motivationsansatz.
Nichtsdestotrotz ziehe ich aufrichtig meinen Hut vor allen, die dort zum Teil bis zu 50 % ihres Körpergewichts abgenommen haben.
Nur halte ich es nicht für den sinnvollsten Weg, denn mir scheint der Preis sehr hoch. Das Format stellt diese Menschen zur Schau, wie man es niemandem wünschen mag. Nach dem Motto „schlimmer geht immer“ werden sie in peinlichster Montur vor die Kamera gezwungen, durch unwürdige vermeintlich sportliche Wettbewerbe gezerrt und dem Zuschauer zum Fremdschämen vorgeführt.
Wer all das auf sich genommen hat, weil er es für sich als letzte Chance gesehen hat oder weil er genau diesen medialen Druck gebraucht hat, um durchzuhalten, und wer es dann langfristig geschafft hat, ein neues und schlankes Leben zu führen, dem zolle ich aufrichtigen Respekt. Diese Personen haben es für mich aber nur deshalb geschafft, weil sie auch nach dem Camp an sich geglaubt haben und ihr Problem angepackt haben.
… zu einzelnen Teilnehmern
Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über einen ehemaligen Kandidaten gelesen, der schon recht früh ausschied und sich bitterlich über den Sender beschwerte.
Seit diesem Moment weiß ich nicht, worüber ich mich mehr wundern oder ärgern soll: Über ein aberwitziges TV-Format, dass gewinnträchtig Menschen in den Schlamm zieht, oder über diejenigen, die das in völliger Naivität mit sich machen lassen.
Es sollte doch jedem klar sein, warum ein TV-Sender eine solche Show in Angriff nimmt. Es geht um nichts als Quoten, und die sind bei derartigen Formaten nun einmal – leider! – extrem gut. Die Quoten bringen Geld und den Sender nach oben. Einige scheinen aber zu glauben, der Sender sei wirklich am Wohlergehen der Kandidaten interessiert.
Tatsächlich beschwerte sich genannter Ex-Teilnehmer darüber, dass er nach seinem Ausscheiden keinerlei Unterstützung mehr von den Profis wie Dr. Christine Theiss erhalten habe. Auch hätte er sich zwischendurch mehr persönliche Gespräche gewünscht.
Somit sei es kein Wunder, dass er im Nachhinein wieder in seine alten Muster verfallen sein, zudem er bedingt durch seine Arbeitslosigkeit noch mehr Zeit mit Essen verbracht habe.
Ich bin selbst dick, mal mehr und mal weniger, und ich weiß, wie schwer es ist, davon wegzukommen. Doch wer alle Verantwortung von sich schiebt und glaubt, die restliche Welt sei da, um ihn von dem zu befreien, was er selbst sein Leben lang falsch gemacht hat, der ist in meinen Augen einfach weltfremd, naiv und zu träge, seine Problem selbst zu lösen. Und ich fürchte, in einem solchen Fall wird auch eine Magen-OP nicht zielführend sein.
… und für die Zukunft
Für mich wird es diese Show nicht mehr geben, die wenigen Sendungen haben mir mehr als gereicht. Ich verurteile niemanden, der sich dort vorführen lässt, aber ich muss es mir nicht ansehen.
Möglicherweise motiviert es den einen oder anderen auch vor dem Bildschirm, selbst aktiv zu werden. Eher fürchte ich aber Reaktionen wie „die sind ja alle viel dicker, dann ist es bei mir ja gar nicht so schlimm“. Aber auch das sei legitim.
Aber eine Bitte habe ich dennoch an alle, die wie ich viel zu viel auf den Hüften haben: Lasst euch nicht vor einen Quoten-Karren spannen oder von irrwitzigen Versprechungen beeindrucken (dazu mehr in einem späteren Blogbeitrag).
Macht die Augen auf und realisiert, dass solche Sendungen nicht dazu dienen, euch dauerhaft zu helfen, sondern ihr selbst aktiv werden müsst.
Sich Unterstützung zu holen ist nicht nur verständlich, sondern absolut ratsam, aber bitte dann von einem Arzt oder einer anderen fachlich versierten Person, die euch individuell auf eurem Weg begleiten – langfristig und vor allem ganz ohne Kamera!