Der neue Begutachtungsleitfaden Adipositaschirurgie bei Erwachsenen des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen) wurde laut dem Verband erstellt, „um bundesweit einen strukturierten Begutachtungsablauf nach einheitlichen, fachlich fundierten Kriterien zu ermöglichen“.
In der Realität wage ich zu bezweifeln, dass dies mit diesem Leitfaden gelingen wird!
Nach wie vor gibt es starke regionale Unterschiede, wie restriktiv Kassen und auch der MDK mit Anträgen auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation verfahren.
Auch die Beurteilungen der Gutachter fallen sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf Umfang und Qualität sehr unterschiedlich aus.
Wer heute noch auf dem Standpunkt steht, dass die Adipositas-Chirurgie „ein Eingriff in ein prinzipiell intaktes Organ darstellt“ hat weder die Krankheit selbst noch die dramatischen Folgen für die betroffenen Patienten verstanden.
Wenn das Körpergewicht nach einem chirurgischen Eingriff nachhaltig sinkt bzw. auch viele der mit Adipositas assoziierten Begleiterkrankungen wirkungsvoll therapiert werden können, dokumentiert dies – nach meinem Verständnis – klar, dass hier nicht von „intakten Organen“ geredet werden kann und darf.
Es ist zu befürchten, dass der veröffentlichte Begutachtungsleitfaden hier keinerlei positive Veränderung bewirken wird.
Dabei könnte es so einfach sein, denn Länder wie die Schweiz haben eindrucksvoll bewiesen, dass durch mehr Miteinander statt Gegeneinander sowohl Patienten als auch Mediziner und Kostenträger profitieren können.
Es wäre anmaßend und fehl am Platz, wenn ich mich als medizinischer Laie auf eine Interpretation der hier veröffentlichten Empfehlungen und Interpretationen von Leitlinien einlassen würde. Dies sei sicher den Medizinern vorbehalten.
Was ich jedoch sehr wohl kann, ist anzumerken, dass dieser Leitfaden viele Aspekte der Adipositastherapie ausblendet oder nicht intensiv genug berücksichtigt.
Wenn hier davon gesprochen wird, dass der Gegenstand dieses Leitfadens NICHT „die Prüfung der Kostenübernahme von Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln u. a. nach OP“ ist, dann wird ein fundamentaler Bereich der qualifizierten Nachsorge ausgeblendet.
Für viele Patienten stellt dieser finanzielle Aufwand der Supplementierung und Nachsorgeuntersuchung eine große Hürde dar und muss zwingend von Medizinern und Kostenträgern verlässlich geregelt werden.
Allgemein halte ich es für fragwürdig und in gewisser Weise auch für zynisch, die Bedeutung der Nachsorge nach bariatrischen Eingriffen immer wieder zu betonen, aber bundesweit keine verlässlichen Kostenübernahmen für die notwendigen Nachsorgeuntersuchungen zu etablieren.
Hier jedoch die Verantwortlichkeit ausschließlich auf den MDS oder die Kostenträger abzuwälzen, wäre sicher nicht fair. Zu uneinheitlich sind die Nachsorgeverfahren auch bei den Adipositaszentren und den Hausärzten bzw. Internisten geregelt.
Auch hier ist es Zeit, die Nachsorge nicht zum finanziellen Roulette für die Patienten zu gestalten, sondern diese Maßnahmen transparent und verlässlich für die Betroffenen zu gewährleisten.
Die Praxis als Leiter von zwei Selbsthilfegruppen hat mir gezeigt, dass ein wesentliches Erfolgskriterium einer bariatrischen Operation in der Zuverlässigkeit und Qualität der Nachsorge liegt und nicht in der Operation an sich.
Ein Problem, das dieser Leitfaden nicht intensiv genug thematisiert.
Somit trägt dieses Dokument wohl wieder eher zur Spaltung von Kassen und Medizinern bei und wird die Position von uns Adipositaspatienten nicht vereinfachen, geschweige denn verbessern.
Es ist somit auch an uns, diesem „Spiel ein Ende zu setzen“ und jeden negativen Bescheid der Kasse fachlich prüfen zu lassen und sich in begründeten Fällen wirkungsvoll zur Wehr zu setzen.
Denn zumindest bei vielen Richtern scheint das Verständnis für die hohe Leidenssymptomatik von uns Adipositaspatienten und der Glaube an die bariatrische bzw. metabolische Chirurgie, langsam zu steigen.
Zumindest eine Entwicklung, die hoffen lässt !
Redaktionell betreut von Faris Abu-Naaj